Verband Schweizerischer Kantonalbanken
30. November 2023
Position Eigenmittel und Liquidität

Hohe Liquiditätsanforderungen sind kein Allerheilmittel

Letztes Update:  30. November 2023

Positionspapier zur Erhöhung der Liquiditätsanforderungen

Position

Aufgrund der Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS wurde eine erneute politische Diskussion rund um die Erhöhung der Liquiditätsanforderungen lanciert. Die Kantonalbanken können die angestossene Diskussion nachvollziehen, verweisen jedoch auf die Notwendigkeit einer vertieften Analyse und – sollte ein Handlungsbedarf gegeben sein – einer differenzierten Regulierung zwischen global tätigen Grossbanken und den restlichen Banken.

Position der Kantonalbanken

Schnellschüsse vermeiden

Das Geschäftsmodell einer Bank ist einem gewissen Liquiditätsrisiko ausgesetzt. So kann – wie im Fall Credit Suisse geschehen – ein Vertrauensverlust in ein Bankinstitut zu einem Abzug von Einlagen führen (Bank Run). Um diesem Risiko begegnen zu können, sind in der Schweiz drei Verteidigungslinien vorgesehen:

  1. Als erste Verteidigungslinie («First Line of Defense») gelten die Liquiditätsreserven der Banken. Diese sind mit Mindestvorgaben regulatorisch vorgeschrieben, haben einen präventiven Charakter und sollen unter anderem dafür sorgen, dass bei umfangreichen Rückzügen von Einlagen weiterhin genügend Liquidität vorhanden ist. National systemrelevante Banken müssen – auch im internationalen Vergleich – deutlich strengere Anforderungen erfüllen.
  2. Die «Second Line of Defense» beinhaltet den Zugang zu Liquiditätshilfen bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB), welche Liquidität gegen Sicherheiten gewährt. Diese Möglichkeit war bis vor kurzem den systemrelevanten Banken vorbehalten und läuft unter der Bezeichnung «Emergency Liquidity Assistance» (ELA). Die SNB hat nun den Empfängerkreis auf alle weiteren Banken in der Schweiz mit hypothekarischen Sicherheiten ausgeweitet: «Liquidität gegen hypothekarische Sicherheiten» (LGHS). Die abschliessende Ausgestaltung ist hier noch nicht geregelt.
  3. Beim Fall Credit Suisse wurde zudem das neue Instrument des «Public Liquidity Backstop» (PLB) angewendet, bei dem die SNB einer systemrelevanten Bank zusätzliche Liquiditätsmittel, welche durch den Bund garantiert werden, zur Verfügung stellen kann («Third Line of Defense»). Der PLB befindet sich aktuell im parlamentarischen Prozess und wird von der Expertengruppe «Bankenstabilität» wie auch von den Kantonalbanken begrüsst.

Weshalb diese Anforderungen und Instrumente bei der Credit Suisse nicht verhindern konnten, dass die Bank in Schieflage geraten ist, muss nun umfassend analysiert werden, erst dann sind darauf basierend ggf. mögliche Konsequenzen zu ziehen. Regulatorische Schnellschüsse sind zu vermeiden.

Unterschiedliche Risiken unterschiedlich regulieren

In der Schweiz werden die prudenziell beaufsichtigten Banken von der FINMA in fünf Kategorien eingeteilt. Die Kategorie 1 umfasst äusserst grosse, bedeutende und komplexe Marktteilnehmer mit einem sehr hohen Risiko für die internationale und nationale Finanzstabilität. In den unteren Kategorien nimmt die von den Marktteilnehmern ausgehende Risikowirkung stufenweise ab. Das Bankengesetz sieht zudem vor, dass die SNB im Rahmen der Too-big-to-fail-Regulierung systemrelevante Banken und deren systemrelevanten Funktionen bezeichnet. Dabei wird zwischen international tätigen und inlandorientierten systemrelevanten Banken unterschieden. Eine inlandorientierte Bank – ob systemrelevant oder nicht – ist in Sachen Komplexität und Risikoprofil wesentlich anders zu beurteilen als eine global ausgerichtete systemrelevante Grossbank. Ein Marktaustritt einer inlandorientierten Bank birgt kaum Risiken für die globale Finanzstabilität und kann aufgrund des einfacheren Geschäftsmodells geordneter und primär nach Schweizer Recht abgewickelt werden. Es wäre daher falsch, alle Banken schärfer zu regulieren, ohne dabei die unterschiedlichen Risiken zu berücksichtigen. Falls es zu Anpassungen der aktuellen Regulierung kommen sollte, ist es zentral, dass den unterschiedlichen Risikolagen gebührend Rechnung getragen wird.

Hohe Liquiditätsanforderungen sind kein Allerheilmittel

Wie im Gutachten von Prof. Dr. Ammann ausgeführt und im Expertenbericht «Bankenstabilität» bestätigt, konnte die CS trotz Einhaltung der seit der Finanzkrise deutlich strengeren Liquiditätsvorschriften das Vertrauen der Kunden nicht zurückgewinnen. Anzumerken ist, dass eine nachhaltig geführte Bank keinen begründeten Anlass zur Vermutung einer Zahlungsunfähigkeit gibt. Ein solcher Bank Run zeichnet sich somit schon vorgängig aufgrund eines anhaltenden Vertrauensverlustes der Bankkundinnen und Bankkunden ab. Auslöser können Elemente sein, welche nicht direkt mit Liquidität oder Eigenmitteln zu tun haben müssen (Führung; Strategie; Rechtsverfahren; Börsenkurs; etc.).

Die Forderung nach einer Erhöhung des Liquiditätspuffers kann erst nach der fundierten Analyse des Zusammenspiels aller Faktoren und der Rolle der Liquiditätsanforderungen im Fall CS bewertet werden. Das Halten liquider Mittel ist für eine Bank mit hohen Opportunitätskosten verbunden, wie im Gutachten Ammann bestätigt wird. So verringert eine Erhöhung der Liquiditätsvorgaben die Möglichkeiten der Kreditvergabe, verteuert die Kreditkosten für den Kreditnehmer und schränkt das Finanzinstitut in seiner Geschäftstätigkeit ein. Die Anforderungen an Finanzinstitute so hoch zu setzen, dass sie jeden denkbaren Bank Run überstehen würden, wäre betriebswirtschaftlich nicht tragbar und volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.

Weiterentwicklung der Liquiditätsregulierung

Im Grundsatz unbestritten ist, dass im Kontext eines Vertrauensverlustes einer Bank und einem darauffolgenden Bank Run der Zugang zu Notfallliquidität der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verbessert werden sollte. So empfiehlt die Expertengruppe «Bankenstabilität» in ihrem Bericht, dass die SNB in Zukunft das Spektrum der akzeptierten Sicherheiten für die ausserordentliche Liquiditätshilfe erweitern soll. Entgegen dieser Empfehlung sollen gemäss der Absicht der SNB unter LGHS – wie der Name schon sagt – jedoch nur hypothekarische Sicherheiten akzeptiert werden. Zudem kritisiert der Expertenbericht richtigerweise, dass die SNB auf den zugelassenen Sicherheiten hohe Abschläge («Haircuts») vornimmt. Die Kantonalbanken fordern daher, dass der Pool an akzeptierten Sicherheiten erweitert wird, die hohen Abschläge auf den Sicherheiten reduziert werden und die Anforderungen an die Zusammensetzung der Sicherheiten (Konzentrationslimiten) gelockert werden. Zudem soll der Public Liquidity Backstop (PLB) – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – in der Schweiz eingeführt werden. Diese Anpassungen wären leicht umzusetzen und würden die Stabilität des Finanzplatzes Schweiz weiter stärken.